Schiaparelli-Designer Daniel Roseberry über Mode und seine Vision

2023-03-23 17:49:15 By : Ms. Linda Chen

Daniel Rosebery, warum, denken Sie, sind Ihre Kollektionen ein solcher Erfolg?

Daniel Roseberry: Ich glaube, dass wir momentan alle etwas Romantik brauchen. Es ist jene Art von Romantik, die einst dazu führte, dass ich mich in die Mode verliebte. Meine Kollektionspräsentation führt die Leute zurück in diese Zeit. Dazu gehören nicht nur die Kleider, sondern auch die Musik und die Models – wir hatten einige ältere Models in der Show. Es war sehr bewegend, das Fitting mit ihnen zu machen und von ihnen zu hören, dass sie so einen Look seit über 15 Jahren nicht mehr getragen haben.

Was für eine schöne Überraschung, Eva Herzigova in der jüngsten Haute-Couture-Show wieder einmal auf dem Laufsteg zu sehen!

Es war so unglaublich, sie in der Show zu haben, und auch Carolyn Murphy.

Eine naheliegende Frage angesichts Ihrer Mode für Schiaparelli ist: Wer soll das denn tragen?

Die meiste Zeit denke ich nicht darüber nach, wer diese Kleider tragen wird. Ich überlege vielmehr, wie wir einen Look so dramatisch und so intensiv und so wichtig machen können wie nur möglich. Wir geben unser ganzes Herz in diese Kreationen und erwarten dafür, dass sie der Person, die sie trägt, oder den Fotografen, die sie ablichten, so viel wie möglich zurückgeben. Grosszügigkeit ist sehr wichtig für mich.

Grosszügig sind die Kleider für visuelle Zwecke wahrhaftig – wie sieht es mit der pragmatischen Seite, dem Tragekomfort aus?

Keine Sorge – meine Entwürfe schmerzen nicht beim Tragen! Sie sind schliesslich für eine Frau von heute entworfen, die Spass daran haben soll, sie anzuhaben. Und: Momentan kämpfen wir nach den Shows mit den vielen Anfragen. Nach der Haute-Couture-Show in diesem Juli kauften oder reservierten die Leute Looks sogar via Whatsapp, noch bevor sie die Möglichkeit hatten, für eine Anprobe hierherzukommen – einfach, weil sie von den Stücken so begeistert sind und nicht viele zur Verfügung stehen. Es war eine regelrechte Schlacht!

Wo genau liegen die Ursprünge Ihrer Faszination für die Mode?

Ich glaube, da heutzutage alles hinterfragt wird, gibt es eine Sehnsucht, zurück in eine Zeit zu gehen, als das noch nicht so war.

Aber war früher wirklich alles besser?

Das wäre eine naive Annahme. Ich weiss, dass die neunziger Jahre nicht unbedingt eine einfachere Zeit waren. Aber ich war ein Kind in dieser Dekade, weshalb die frühen neunziger Jahre mir besonders am Herzen liegen. Ich fühlte kürzlich eine Sehnsucht nach dieser glückseligen Zeit, vor 9/11 und vor so vielen anderen Sachen ­– vor Social Media, vor Smartphones. Die Welt fühlte sich anders an, das Tempo zivilisierter.

Wie war Ihre Vision für Schiaparelli, als Sie im Juli 2019 Ihre erste Kollektion als neuer Kreativdirektor zeigten?

Zurückblickend passierte alles so schnell, dass ich nicht wirklich darüber reflektieren konnte. Es war wie eine Feuerprobe. Und nach nur einer weiteren Kollektion schlug die Covid-Pandemie ein. Es fällt mir schwer, mich zu erinnern, wo ich vor dieser Periode stand. Covid veranlasste eine Art Neuorientierung. Aber in dieser Zeit begann die Marke so richtig durchzustarten. Unsere Kollektionen wurden fokussierter, die Sprache klarer. Die Codes des Hauses offenbarten sich in gewisser Weise, die Schmuckkollektionen schlugen ein . . . all diese Dinge entstanden während Covid.

Corona hat Ihrer Arbeit also nicht geschadet?

Covid war so herausfordernd auf so viele Arten, aber auf kreativer Ebene war es für mich tatsächlich befreiend. Denn diese Zeitspanne erlaubte es mir, innerhalb und an einer Art Blase zu arbeiten. Diese platzte oder vielmehr eruptierte mit der Kollektion der vergangenen Saison. Wohl auch deshalb war und wurde unsere Arbeit zu einer Art kreativem Zufluchtsort für viele.

Wie haben Sie CEO Delphine Bellini und Inhaber Diego Della Valle von sich als Kreativdirektor überzeugt?

Ich glaube, dass Delphine keine grosse Überzeugung meinerseits brauchte, weil ich damals ein grosses Dossier über das Haus machte. Sie war ganz von Anfang an sicher, dass ich eine gute Wahl bin. Aber Diego wusste, dass es ein Risiko war. Es stand aber relativ wenig auf dem Spiel: Die Heritage-Brand war 60 Jahre lang eingefroren und startete quasi als Newcomer-Label wieder.

Was war das Spezielle an Ihrem Bewerbungsdossier?

Es waren rund siebzig Seiten, die meine neue Ausrichtung des Hauses beinhalteten. Von Schiaparelli waren kaum originale Sachen enthalten. Alles andere war komplett persönlich und autobiografisch. Es ging mir darum, darzustellen, wer ich bin, wie mein Gehirn funktioniert, was mein Geschmack ist und was ich hier in diesem Haus machen wollte. Ich hätte den Job nicht angenommen, hätten sie mir befohlen, Cocktail-Jacken zu machen. Aber das taten sie nicht.

Welches waren denn die Dinge von Elsa Schiaparelli in Ihrem Dossier?

Die «Shocking»-Parfumflasche, die ich sehr liebe. Und eine Giacometti-Brosche. Sonst nichts.

Die Vision, die Sie in den vergangenen Kollektionen offenbarten – etwa das Hervorheben verschiedenster Körperteile –, stand sie schon in Ihrem Dossier fest?

Nein. Die Körper- und Anatomie-Motive kamen erst später. Sie entsprangen den Knochen-Kleidern aus der ersten und zweiten Haute-Couture-Kollektion. Die Arbeit an Schiaparellis ikonischem Skelett-Kleid eröffnete das Thema Anatomie als einen eigenen Code für die Marke.

Wie sieht es mit Salvador Dalís ikonischem Hummer-Kleid für Schiaparelli aus? Wir haben Ihre Version bisher noch nicht gesehen.

Ich habe schon in vielen Interviews gesagt, dass ich kein Interesse daran habe, eine Version dieses Kleides zu machen. Für mich ist ein Teil von Elsas Ikonografie so spezifisch und so in eine bestimmte Zeit eingefroren, dass sie heutzutage nicht funktioniert – das Hummerkleid zählt dazu. Vielleicht werde ich eines Tages meine Meinung ändern, aber momentan sehe ich das so.

Sie sind ein begnadeter Mode-Illustrator. Entwerfen Sie nur mit dem Stift?

Das Zeichnen ist nur ein kleiner Bruchteil im Prozess, ein Weg, um anzufangen. Aber wenn die Anproben beginnen und ich mit den Händen und den Meistern aus den Ateliers arbeite, dann beginnt eine neue Ebene in der Kreation der Kleider. Das macht die Schönheit und auch das Privileg der Haute Couture aus.

Was kommt als Nächstes – wie wird Schiaparelli sich weiterentwickeln? Wird man mehr Entwürfe auf der Strasse sehen?

Ja, die Prêt-à-porter ist am Wachsen – wir können die Teile nicht einmal an Lager behalten, so gefragt sind sie. Das ist wirklich aufregend. Ich will vor allem die Kreativität und die Stimme des Hauses weiter pushen. Meine Ambitionen für Schiaparelli sind sehr gross.

Was kommt? Wird es eine Beauty-Linie geben?

Das Schöne an Elsa Schiaparellis Marke ist, dass sie nicht nur Mode machte, sondern auch Kosmetika und Düfte, Objekte und Brillen. In den fünfziger Jahren machte sie für eine Weile sogar Männermode. Für mich gibt es also kein Limit, was die Markensprache angeht. Man kann sie auf alles, was wir machen wollen, anwenden.

Wenn Sie heute Elsa antreffen würden, wie würde das ablaufen?

Ich wüsste nicht, ob sie an mir interessiert wäre, wenn wir uns an einer Dinnerparty begegnen würden. Aber ich hoffe, wir würden die Möglichkeit haben, uns zu unterhalten. Ich wäre von ihr extrem eingeschüchtert und schwer beeindruckt, wie es alle von ihr waren.

Die besten Artikel aus «NZZ Bellevue», einmal pro Woche von der Redaktion für Sie zusammengestellt: Jetzt kostenlos abonnieren.

Copyright © Neue Zürcher Zeitung AG. Alle Rechte vorbehalten. Eine Weiterverarbeitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung zu gewerblichen oder anderen Zwecken ohne vorherige ausdrückliche Erlaubnis von Neue Zürcher Zeitung ist nicht gestattet.